Tja Ihr Lieben, das ist eine gute Frage, die ich mir zuletzt auch immer häufiger gestellt habe. Und auch eine Frage, mit der Ihr bei Insta öfters auf mich zugekommen seid. Zurecht. Ich rolle das Thema mal von hinten auf und fange bei einer kurzen Geschichte an.
Wenn Essen zum Streitthema wird
Ich war kürzlich mit Mama in Mailand. Ich liebe solche Städtetrips und ich verbringe vorab Stunden damit die besten Slowfood Spots und Bio-Restaurants der Gegend ausfindig zu machen. Mama klappert dann alles mit mir ab und wir testen uns durch die Karten. Manchmal haben wir Pech aber meistens Erfolg. Erfolg hatten wir auch im Falle der Lubar. Das kleine Bistro serviert überwiegend regionale Küche, Slow Food und arbeitet mit Bio-Produkten. Es war köstlich und dazu hatten wir so einen tollen Morgen und so viel Spaß dabei, unseren vollgepackten Frühstückstisch zu fotografieren. Das Foto ist super schön geworden und hat es natürlich auf meine Wall geschafft. Hier seht Ihr es nochmal:
Es hat keine 5 Minuten gedauert, da gab es den ersten Kommentar unter dem Bild: „Da kann ich nur hoffen, dass Ihr die vielen Avocados aus einem nachhaltigen Anbau habt.“ Und ich hab mich erstmal drüber geärgert. Ich kaufe ganz selten Avocados und genau bei diesem Bild bekomme ich einen blöden Kommentar. Ärgerlich. Ärgerlich? Beim weiteren drüber Nachdenken viel mir auf: Hätte auch ich sein können. Jemandem, der häufig auf saisonale und regionale Bezüge plädiert, dann aber etwas völlig anderes tut, muss ich die Meinung sagen. Ich hatte selber eine Woche zuvor einem Bekannten auf seine „Zero-Waste“ Story geantwortet: „Toll, aber Dein exotisches Obst durch die ganze Welt fliegen lassen.“ Wir haben schnell das Bedürfnis andere für Ihr Ess- und Einkaufsverhalten zu kritisieren. Aber mal ganz ehrlich Leute? Haben wir 0 Recht zu.
Wenn Verunsicherung auf Aktionismus trifft
Wenn Verunsicherung auf Aktionismus trifft, sind Auseinandersetzungen vorprogrammiert. Und wir SIND verdammt verunsichert. Zumindest kann ich da für mich sprechen und die Frage nochmal aufgreifen: Was kann ich überhaupt noch essen. Schauen wir uns die Komponenten, die heute unsere Essenswahl beeinflussen einmal an:
- Unsere Gesundheit: Wir sind heute mehr denn je darauf bedacht, uns etwas Gutes zu tun: Ein besonderer Makrosplit (z.B. besonders viel Eiweiß), wertvolle sekundäre Pflazenstoffe, hochwertige Fette, Superfoods, Vitamine etc. etc.
- Das Tierwohl: Wie werden die Tiere gehalten – das betrifft natürlich auch die Milch- und Eierprodukte – und wie werden sie geschlachtet. Ist es überhaupt irgendwo vertretbar sich tierisch zu ernähren?
- Die Lebensmittelqualität: Die Lagerung und der Transport der Lebensmittel aber auch die Düngung etc. Hier kommen auch die Punkte Saisonalität und Regionalität zum Tragen. Auch die Thematik der Düngung und Pestizidbekämpfung spielt eine Rolle.
- Nachhaltigkeit: Ein nachhaltiger Anbau oder eine nachhaltige Landwirtschaft vor Ort ist bei vielen Produkten, die wir konsumieren zweitrangig.
- Fairer Handel: Die Bezahlung und Behandlung der Arbeiter vor Ort. Das ist ein großes Thema der Importwaren: Kakao, Reis, Kaffee etc.
- Verpackung: Das Ziel Plastik zu reduzieren und die Zero Waste Bewegung sind wahrscheinlich jedem ein Begriff.
- Finanzielle Möglichkeiten: Klar, die Punkte oben gehen natürlich auch mit einem gewissen finanziellen Invest einher.
Die Liste ist nicht vollständig aber das sind die Faktoren, über die ich beim Einkaufen nachdenke. Und an dem Punkt wird es schwierig, weil fast alle Produkte mindestens einem dieser Punkte widersprechen. Man KANN kaum alle Punkte beachten. Und damit wird das, was man tut plötzlich widersprüchlich. Und so passiert es, dass jemand sich über Avocados beschwert, weil er es unangemessen findet, in der gleichen Woche aber Unmengen an Bananenbrot verdrückt.
Wir messen alle mit zweierlei Maß
Eine Behauptung, der jetzt wahrscheinlich viele widersprechen. Aber ich kenne niemanden, der alles richtig macht und wisst Ihr was? Das ist auch gar nicht schlimm. Wir haben ja auch noch ein Leben, ein paar wertvolle Jahre auf dieser Erde, die wir versuchen zu genießen und so passiert es, dass jeder auf seine Weise etwas Gutes tut und bei anderen Dingen vielleicht die Augen lieber zumacht.
Beispiele
- Ich kaufe keine Avocados, obwohl ich sie gern esse und sie sehen natürlich dazu noch hübsch aus UND sind auch noch gesund. Ich kaufe sie nicht, weil ich ein schlechtes Gewissen habe. Ich kaufe aber massig Bananen, weil ich keinen Ersatz für mich finde.
- Ich sehe jeden Tag Menschen, die zur Bioland Milch greifen – und das aus Überzeugung tun, aber den Quark von Exquisa kaufen, weil der am wenigsten Fett hat. Das Gleiche gilt übrigens für Käse oder Whey oder auch Eiweißriegel.
- Es gibt viele viele Menschen, die sorgfältigst auf Bio-Produkte achten und dann den Großteil ihres Geldes in Restaurants lassen, die von Bio-Gemüse (und auch Bio-Fleisch) noch nie etwas gehört haben. Und da gehöre ich definitiv zu.
- Mal ehrlich, wer hat im Winter Südfrüchte oder Beeren gekauft?
- Instagramer, die sich „Zero Waste“ auf die Fahne geschrieben haben, weil sie in der Gemüseabteilung keine Plastiktüten mehr verwenden, aber eingepackte Küchenrollen im Einkaufswagen haben.
Und so weiter und so weiter. Es gibt tausende Beispiele und wenn Du mal überlegst, findest Du Dich bestimmt darin wieder oder? Ich finde mich in so vielen Punkten wieder und ich hab lange deswegen mit mir gehadert. Und sind wir mal ehrlich: Selbstoptimierung ist trend und Save the planet ist nicht nur Trend sondern notwendig und wir sollten alle miteinander schauen, dass wir es besser machen als die letzten Generationen. Aber wir sollten vielleicht bei uns selbst anfangen und nicht nur damit Parolen über Instagram zu verteilen oder?
Meine persönliche Antwort
Und so habe ich für mich meine ganz persönliche Antwort gefunden. Was kann ich eigentlich noch essen?
- Meine Gesundheit steht für mich an oberster Stelle aber ich bin bereit bei dieser Zielerreichung Kompromisse einzugehen.
- Fleisch gibt es bei uns höchstens alle zwei Wochen (für gewöhnlich eher einmal im Monat) und dann von Demeter oder Biolandhöfen. In Restaurants bestelle ich in 90% der Fälle kein Fleisch, es sei denn es gibt regionale Spezialitäten. Beim Tierwohl und der Haltung sollten wir keine Kompromisse eingehen, allerdings betrifft das natürlich auch die Bereiche Kosmetik Lederwaren, Daunenfedern etc.
- Milchprodukte werden auch nur mit Bio-Siegel gekauft.
- Bei Fisch habe ich ehrlicherweise noch keine Lösung gefunden.
- Gemüse kaufe ich im Edeka in Bio-Qualität, im Bioladen oder bei der Bäuerin auf dem Carlsplatz, je nachdem, wie ich es gerade schaffe. Auf dem Carlsplatz ist es aus eigener Produktion, damit regional und saisonal. Weiterhin kaufe ich aber regelmäßig gewisse Gemüsesorten wie Brokkoli oder Zucchini. Und ich besuche natürlich auch Restaurants, die sicher kein Bio Gemüse anbieten.
- Bei Kakao und falls ich mal Schokolade kaufe, greife ich auf faire Labels zurück. Bei Kaffee hingegen kaufe ich die kompostierbaren Bio Kapseln. Bei Reis setze ich auf alternative Anbaumethoden. (z.B. schwarzer Reis aus Italien etc.)
- Ich versuche exotische Superfoods zu meiden. Manchmal siegt allerdings die Neugierde und dann landen die Gojibeeren doch im Korb.
Ihr seht: Alles andere als perfekt. Jeder von uns hat die Möglichkeit was zu tun und jeder sollte auch was tun. Und ich denke, wenn jeder sein Konsumverhalten überdenkt und optimiert haben wir schon viel geschafft. Was wir aber nicht tun sollten: Andere für Ihr Verhalten öffentlich anprangern. Und deswegen möchte ich mich bei der Urheberin dieses Themas, der Kommentatorin meines obigen Posts für meine Antwort entschuldigen. Ich habe nämlich unter ihr Bananenbrot geschrieben, dass es ebenfalls nicht besonders nachhaltig ist, Bananen durch die Gegend zu fliegen 🙂 und bin damit kein Stück besser.
Jetzt bist Du dran
Ich hab die Hosen runtergelassen, jetzt lass mich nicht alleine dastehen. Was machst Du schon gut und was könntest Du definitiv besser machen? Ich freu mich über spannende Kommentare.